21. September, 2008

Stepanavan - Dilijan (97,5km)

Auf dem Plateau über der Schlucht geht es weiter Richtung Debed Tal. Am Weg liegt das ziemlich verfallene Hnevank Kloster. Dort treffe ich eine kleine Familie: Großmutter, Papa, Sohn und Goggelhahn. Letzterer wird (noch) lebend an den Füßen gehalten um die Kirche getragen, rein, raus, rundherum, hört gar nicht mehr auf. Wir kommen ins Gespräch und man erklärt mir was vorgeht. Der Sohn hatte einen Unfall, irgendwo ist eine Stromleitung herunter gehängt und er hat sich beim Spielen die Schulter am Strom verbrannt. Aus Dank für sein glückliches Überleben hat man gelobt ein Opfer zu bringen. Heute ist der große Tag, der Hahn muss zuerst 3 oder 7 mal um die Kirche getragen werden und wird dann geopfert. Zuhause wird er dann gekocht (auf keinen Fall gegrillt) und an die Nachbarn verteilt. Ein recht weit verbreitetes Ritual, hab ich später noch oft gesehen. Die armenisch orthodoxe Kirche ist somit die einzige mir bekannte christliche Kirche in der es Tieropfer gibt. Die Kirche ist aber eigtl. eine Georgische, zu erkennen am orthodoxen Kreuz. Die armenische Kirche hat irgendein Kirchenkonzil nicht mitgemacht, und hält daher noch am lateinischen Kreuz fest. Einzigartig dürfte auch sein, dass es die Dreifaltigkeit hier nicht gibt, sondern Jesus einfach nur Gott ist.

Über wunderschön steil in den Hang gehauene Serpentinen auf Schotterstraße geht es runter ins Debed Tal. Es schaut wieder nach Regen aus und ich entscheide mich gegen die Fahrt nach Norden (Alaverdi) und entlang der asserischen Grenze Richtung Sevan, sondern fahre zurück Richtung Süden. Neben dem Wetter ist mir jetzt doch auch unwohl wegen asserischer Snipers die angeblich gerne Ziele in Grenznähe beschießen und bei dem Höhenprofil bedeutet die Nordroute 2 Tage Umweg, mir läuft die Zeit davon, der Weg in den Süden ist ein weiter.

In Vanadsor versuche ich wieder erfolglos bei verschiedenen Bankomaten an Geld zu kommen. Wie schon in Erevan und am Flughafen wird weder meine ukrainische noch meine österreichische Bankomatkarte honoriert. Mein Bargeld ist knapp, ca. 25 USD pro Tag müssten reichen wenn ich keine Bank finde.

Nach Vanadsor sollte es wieder recht flach sein, doch flach gibt es in Armenien nicht. Wieder auf und ab, die Sonne brennt jetzt wieder, an altrussischen Dörfern vorbei (ähnlich wie in Österreich und Deutschland Evangelische nach Rumänien ausgesiedelt wurden, wurden im zaristischen Russland Altgläubige im Kaukasus angesiedelt). Das Klima in dieser Höhenlage dürfte dem russischem entsprechen, überall werden rote Rüben und Erdäpfel verkauft, und sogar Birken hat man gepflanzt. Die Altrussen lehnen angeblich die Moderne ab und leben noch wie im 19. Jahrhundert. Anders als ihre Landsleute in Russland stehen sie im Ruf begabte, verlässliche und genaue Handwerker zu sein.

In Dilijan finde ich das wahrscheinlich beste B+B auf meiner Reise. 2 Schweden und deren 2 armenische Reiseführer sind auch hier. Der armenische Reiseführer hat ein eigenartiges Hobby zu seinem Beruf gemacht: er ist Schmetterlingsammler. Viel erfahre ich übers Schmetterlingsammeln, z.B. dass es die meisten Schmetterlingsammler in Tschechien gibt und man dort richtige Schmetterlingsammelreisen organisiert. Armenien dürfte diesbezüglich ein heißes Pflaster sein, mein Informant hat schon 3 neue Arten entdeckt, eine davon wird jetzt nach ihm benannt. Und für gute Exemplare kann man wirklich gute Preise erzielen, das geht bald mal über hundert Euro pro Schmetterling. Auch hier regiert Angebot und Nachfrage, und das Angebot wird kürzlich gering gehalten, indem gute Schmetterlingsgebiete (ähnlich dem Schwammerlsuchen bei uns) geheim gehalten werden. Und wenn man einen größeren Fang gemacht hat, wirft man zuerst mal nur ein paar auf dem Markt zu hohen Preisen und steigert dann in den Folgejahren langsam das Volumen und senkt die Preise. Skim the cream heißt das in modernen Marketinglehrbüchern...  Und ohne GPS geht heute beim Schmetterlingsammeln selbst in Armenien nichts mehr.

Meine GPS Aufzeichnungen für diesen Tag sind auch verschwunden, vielleicht vom Schmetterlingsammler gelöscht.


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