In aller Früh raus aus dem Luxusdomozil ins richtige
Leben. Die Straße ist nass, und gleich geht's mal wieder
die 700m runter in die Vorotanschlucht. Dort sind meine Füße schon nass, hätte mir
wenigstens Plastiksackerl über die Schuhe stülpen
sollen. Auf der anderen Seite wieder 1000m rauf. Ich
sehe teilweise gerade mal 20-50m (daher keine Photos), dichter Nebel, Niesel,
Regen, es ist saukalt, vor allem beim bergabfahren.
Manchmal klemm ich mich hinter einen iranischen
Tanklaster, das schützt vor Regen und Wind und die
Auspuffgase wärmen zusätzlich. Aber bergauf sind die zu
schnell und bergab zu langsam.
Am frühen Nachmittag komm ich in Kapan an, dem
Verwaltunszentrum Südarmeniens, und
größte Stadt seit langem. Durch und durch nass, aber es hat aufgehört zu regnen. Ich find kein
ordentliches Restaurant, also esse ich in einem
Straßenkaffee, wo ich mir auch trockene Sachen anziehe.
Das öffentliche umziehen kommt nicht gut.
Ich bin den Umständen entsprechend guter Laune, das
Wetter scheint sich gebessert zu haben, ich habe was im
Bauch, noch genug Zeit und trockene Sachen am Leibe. Ich
beschließe die 26km bis Kajaran noch
heute zu fahren. Laut Karte entlang eines Flusses, ohne
Pass, und keine Höhenschichtlinien zu durchqueren. Man
bestätigt mir, dass es keinen Pass
zwischen hier und Karajan gibt. Eineinhalb Stunden
lockeren Pedalierens, denk ich mir.
An der Stadtgrenze beginnt es zu nieseln. Mist, umdrehen
gibt's nicht. Der Niesel schlägt schnell in echten Regen
um, doch das schlimmste ist der Anstieg. Es geht ständig
bergauf, und das ordentlich. Fast 1000 Höhenmeter sollen
es bis Karajan werden - total unerwartet. Ich bin bald
wieder durch und durch nass, es ist schweinekalt. 20km
gehen immer, denk ich mir, und wenn ich fest trete bin
ich schell dort und kalt wird mir auch nicht. Ich dampfe
wie ein Dampfbügeleisen, mir ist wohlig warm, außer die
Füße, die stehen im Wasser. Etwa 5km vor Karajan ist es
vorbei mit Dampfbügeleisen, keine Energie mehr, es
schüttet inzwischen in Strömen und ich bin am
Verzweifeln. In Karajan finde ich ein überteuertes
Hotel, in dem es aber einen elektrischen Heizkörper
gibt, mit dem ich die halbe Nacht mein Gepäck trockne,
es ist alles nass, meine Gepäcktaschen sind
Schönwettertaschen.
click map for detailed GPS data
Kajaran - Meghri (51.1km)
Die ganze Nacht regnet es durch, doch in der Früh hört
es auf. Hurra. Ich mach mich auf dem Weg. Nachdem ich
gestern noch unerwartet viel Höhenmeter gemacht habe,
sollten es nur mehr ca. 600Hm bis zum Pass
sein. Da die Straße nass ist, stülpe ich mir noch Plastiksackerl über die Schuhe.
Der Anstieg beginnt wunderschön, mit Ausblick auf
Kajaran und das noch nebelverhangene Tal durch das
ich mich gestern gekämpft habe. Sogar die Sonne
kommt manchmal durch. Der Höhenmesser meines GPS ist
aber deutlich unzuverlässiger als ich es von
meinem Polar gewohnt bin, es sind doch noch 1000Hm
und nach etwa 600Hm
beginnt es wieder zu regnen. Ordentlich. Dann kommt
Wind dazu, starker Wind. Schon fast auf der Passhöhe
angekommen, bin ich wiedermal durch und durch nass
und es beginnt zu hageln. Der Gegenwind ist so
stark, dass ich bei 12% Steigung nicht mehr
weiterkomme. Ich muss absteigen und schieben, aber
selbst so komm ich kaum weiter.
Das alles auf 2550 Meter Seehöhe! Ich denke an einen Medienbericht von einem
Bergmarathon auf der Zugspitze, bei dem 2 Läufer an
Erschöpfung und Kälte gestorben sind, weil das
Wetter umgeschlagen hat. Mir ist zwar saukalt und
ich bin durch und durch nass, aber ich hab was zum
Anziehen, bin also besser dran. Trotzdem beginne ich
zu verstehen, dass sowas wirklich passieren kann.
Irgendwie schaffe ich es bis zum Pass, aber meine
schlimmste Befürchtung bewahrheitet sich: auf der
anderen Seite ist das Wetter auch nicht besser, eine
30km Abfahrt bei der 2000 Höhenmeter zu vernichten
sind, durch und durch nass bei strömenden Regen, das
verspricht nicht lustig zu werden. Ich ziehe alles
an was ich bei mir habe, T-Shirt, Radtrikot
langärmelig, dickes Flies, dünnes Flies, Regenjacke.
Irgendwie geht es. An Meghri fahr ich zuerst vorbei,
weil ich nicht so ein kleines Kaff erwartet habe.
Man bringt mich in ein B+B, traumhaft, warme
Dusche, gutes Essen. Ich bin am Ziel, im äußersten
Süden Armeniens, direkt an der Iranischen Grenze,
und nach den letzten beiden Etappen ein wenig stolz.
Von den Bergen schaut Schnee herunter.