3. September, 2007

Bakuriani - Vartsia

Abfahrt frühestmöglich, ich bin gewarnt, 100m hinter dem Hotel endet der Asphalt und es ist einiges an Höhenmetern zurückzulegen. Auch wurde ich über die vielen weißen Jeeps aufgeklärt: über den Pass vor mir schlängelt sich die neue Pipeline von Baku nach Ceyhan. Ein strategisches Meisterwerk, das die USA gegen den heftigen Widerstand Russlands durchgesetzt haben, bringt Öl aus dem kaspischen Raum zur türkischen Mittelmeerküste und umgeht damit sowohl das russische Monopol des Öltransportes als auch den Iran. Sowas will ordentlich bewacht sein.

Die Straße sei erst seit es die Pipeline gibt als eine solche zu bezeichnen und ist wirklich gut befahrbar, nicht asphaltiert aber ohne größere Löcher. Wundervoller Anstieg mit toller Aussicht auf das grüne, üppige Tal. Ich werde von einem Auto mit 4 schwerbewaffneten Männern überholt, die irgendwie gar nicht nach Polizei aussehen. Sie bleiben stehen, schauen mich an, abhauen aussichtslos, gottseidank fahren sie wieder weiter. Am Pass warten Sie dann auf mich, kontrollieren nur meine Dokumente. Sie bewachen die Pipeline.

Oben steh ich wieder an einer Weggabelung. Gerade geht es auf direktem Weg ins Tal, links mit Umweg über einen See. Laut Wirten unbedingt links fahren, weil See so schön und Weg besser. Laut den bewaffneten Gorillas unbedingt rechts fahren, weil links gar kein Weg. Laut meiner Karte ist rechts eine Straße, links ein Fußweg. Ich fahre links. Weg ist fürchterlich, mehr Löcher als Weg und daher meist unter 10km/h, ich brauch 3 Stunden um 600 Höhenmeter zu vernichten. Frustrierend.

Die Landschaft auf der anderen Seite des Passes ist nicht wiederzuerkennen. Karg, keine Bäume, eine Hochebene, viel Weidevieh, Hirten und natürlich deren mannshohen Hunde, die ich schon aus Kirgistan kenne, nur bei den Straßenverhältnissen hier hat die Flucht keinen Sinn. Der See ist von oben idyllisch anzusehen, die Ortschaft am See aber ein schreckliches Nest. Überhaupt sind alle Ortschaften von hier bis zur nächsten Hauptstraße so ziemlich die schlimmsten Kaffs die ich je gesehen habe. Teilweise zentimeterhoch der Schlamm auf der unasphaltierten Straßen, dazu passend überall Schweine.

Bei Akhalkalaki komme ich in einen kurzen aber starken Regenschauer  und endlich wieder auf eine feste Straße. Durch ein wunderschönes Tal geht es  gut 20km und 500 Höhenmeter bergab bis zur Festung Khertvisi. Diese Fahrt entschädigt für alles! Wenn die Straße vom Berg runter schon so gewesen wäre - 3 Stunden hätte ich gespart. Aber hätti-wari gibt's beim Radfahren nicht, getreten muss werden!

Die letzten gut 20km nach Vardsia sind mühsam, wieder kein Zucker und nichts zu essen, es wird langsam Abend, unmotiviert komm ich kaum weiter. Bei den Höhlen finde ich außer einen verfallenen Hotel keine Unterkunft, so fahr ich noch weiter bis zum Ende des Tales, auf der anderen Seite des Berges ist schon die Türkei. Aber auch hier ist keine Bleibe zu finden, komisch, bei so einer Sehenswürdigkeit. Ich fahre zurück zu den Höhlen. Es ist schon fast finster.

Ich frage im nächstbesten Gebäude, wo man hier übernachten kann, und werde prompt eingeladen. Ich bin in einer Kohlensäurefabrik gelandet. Aus dem Boden kommt heißes Mineralwasser, und über einen recht primitiv wirkenden Kessel und einen Kompressor wird die Kohlensäure in eine riesige Zisterne gepumpt. Und das Beste: hinterm Haus gibt's ein Schwimmbecken mit dem heißen Thermalwasser. Gerade recht für meine müden Knochen.

Georgie heißt mein Gastgeber. Er kommt aus Südossetien, dort lebt auch seine Familie aber weil es dort keine Arbeit gibt, mietet er diese Fabrik hier. Eigentlich läuft die Produktion vollautomatisch, soll heißen es gibt nichts zu tun außer aufzupassen und einmal im Monat den Tanklaster aus Tiflis in Empfang zu nehmen, der dann die Ware abholt. Bei ihm in der Fabrik lebt im Sommer sein Neffe, ein ca. 15 jähriger Bursche. Wir plaudern ein wenig, verspricht eine ruhige Nacht zu werden. Doch...

Es läutet Georgies Handy. Nicht mal hier hat man seine Ruh. Georgie wird unruhig. Der Tanklaster hat sich angekündigt, eine Woche zu früh, wird in ca. 3 Stunden da sein. Da das Umpumpen eine recht laute Angelegenheit sei, werde ich aus der Fabrik ausquartiert und finde im Schlafverschlag des Neffen Unterkunft, der würde sowieso arbeiten müssen.

Ich geh gerade schlafen, als es laut wird. Nein, nicht der Tankwagen, sondern ein Kleinbus voller Georgier ist angekommen. Diese verkünden laut, dass man hier das Ende des Urlaubes zu feiern gedenkt. Soviel ich rausfinden kann, kennt Sie Georgie nur flüchtig, sie seien die letzten 3 Wochen öfters zu ihm feiern gekommen, weil der Platz so schön ist, vor allem aber weil es das Thermalbad und Strom gibt. Im Nu ist ein kleines Fest im Gange, Wein gibt's aus dem Kanister, die Schaschlik grillen schon am Feuer. Leider kann von denen außer Georgie keiner russisch, ich bin daher Statist, aber zumindest gibt es was zum Essen - endlich.

Die Trinksprüche sind ein Erlebnis. In Russland sagt jeder brav etwas mehr oder weniger Gescheites und dann wird - quasi als Höhepunkt - getrunken. Nicht so hier. Zuerst beginnt jemand zu reden, dann werden die Gläser gehoben, aber nicht geleert. Dann wird der Trinkspruch von demjenigen der glaubt etwas Sinnvolles beisteuern zu können fortgesetzt. Und so geht's weiter, alles ohne Trinken, bis dann plötzlich alle kaum merklich trinken (hab nicht rausgefunden was genau das Zeichen zum Trinken ist) und der Trinkspruch damit vorbei ist. Jedenfalls ist das Trinken dabei keinesfalls  Höhepunkt und Ziel des Trinkspruches, sondern schließt diesen relativ emotionslos ab.

Georgie hat ein wenig übersetzt, die meisten Sprüche waren über die Familie (den lebenden Teil und die Toten), die Liebe und Freundschaft. Und über Völkerfreundschaft, wahrscheinlich wegen meiner Anwesenheit. Da ich mich als aus Kiew kommend ausgegeben habe, hauptsächlich über die Freundschaft zu den slawischen Völkern. Diese seien gute Leute, und Putin wird ja nicht ewig im Kreml sitzen...

Statistics
Entfernung [km] 123,3
Avg. Speed [km/h] 13,2
Zeit im Sattel [HH:MM] 9:20
Seehöhe Start [m] 1622
Seehöhe Ziel [m] 1168
Höhenmeter [m] 1325
Bakuriani  -  Vartsia






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